Skyline Tokyo

Die größte Blase aller Zeiten?

Ben Carlson schrieb kürzlich in seinem Blog "A Wealth of Common Sense" einige seiner Beobachtungen zu der nun schon seit Jahrzehnten anhaltenden Krise in Japan auf. Er bezieht sich dabei auf die Analysen von Edward Chancellor aus dessen Buch "Devil Take the Hindmost".


Langfristig denken und agieren ist einer der wenigen verbliebenen Möglichkeiten an den Märkten zu bestehen. Immer öfter jedoch bekomme ich die Antwort: "Sind die Märkte heute nicht eine riesige Blase?" und:

Haben wir nicht in Japan gesehen, was passiert, wenn eine solche Blase platzt?

Tatsächlich: Es spricht schon für sich, dass der letzte Höchststand des Nikkei 225-Index im Jahr 1989 bei knapp 39.000 Punkten war. In den vergangenen 27 Jahren konnte er nicht wieder erreicht werden. Heute, am 20. September 2016 liegt er bei knapp 16.500 Punkten, deutlich unter der Hälfte des Höchststands.

Edward Chancellor gibt einige Anekdoten der Japan-Blase aus den späten 1980er-Jahren wider:

  • Von 1956 bis 1986 haben sich die Preise für Grundstücke verfünfzigfacht, während Konsumentenpreise sich gerade einmal verdoppelt hatten.
  • In den 1980er-Jahren sind Aktienkurse dreimal stärker gestiegen als die Unternehmensgewinne in Japan.
  • In 1990 war der Japanische Immobilienmarkt mit über 2.000 Trillionen Yen etwa 4-mal so hoch bewertet wie der Immobilienmarkt der gesamten Vereinigten Staaten
  • Der Kaiserpalast wurde als wertvoller als der gesamte Immobilienmarkt von Kalifornien eingeschätzt.
  • Es gab über 20 Golf-Clubs, die eine Aufnahmegebühr von über umgerechnet einer Millionen US-Dollar hatten.

In den folgenden 10 Jahren verlor der japanische Aktienmarkt etwa 80% seines Wertes. Dagegen war die Dot-Com-Blase geradezu harmlos. Die japanische Blase war massiv, sowohl was Aktien als auch was Immobilien angeht. So dramatisch die Jahre ab 1990 waren, sie müssen vor dem Hintergrund dieser massiven Blase bis 1989 gesehen werden.

Die große Frage ist nun, was kann man daraus lernen? 

Zu kurz springen aus meiner Sicht folgende Schlussfolgerungen:

  • "Kaufen und halten" funktioniert als Strategie nicht.
    Richtig ist: "Kaufen und halten" funktioniert nicht für jeden Betrachtungszeitpunkt. Wäre das so, würden es wohl alle immer machen. Japan zeigt: "Kaufen und halten" hat sehrwohl zwischen 1970 und 1989 funktioniert, seit 1989 hätte es zu einer Halbierung der Werte geführt. 
  • Wir werden bald eine genauso große Blase platzen sehen wie in Japan.
    Richtig ist: Wir sind noch weit weg von einem spekulativen Exzess, der mit dem Japans vergleichbar wäre. (Das heißt nicht, dass wir nicht dorthin kommen können.) Auch sind weitere Rahmenbedingungen anders: Demographie, Diversifikation der Industrien oder die Wirtschaftspolitik. 

Vielmehr können wir folgendes lernen:

  • Unterschätzen Sie nie, wie stark Menschen einen Markt ins Extreme bringen können.
    Das Pendel schwingt hin und her, scheint aber immer weiter zu gehen als die meisten erwarten. Menschen haben die Angewohnheit, das zu vergessen und anzunehmen, dass es nicht mehr passieren könne.
  • Innere Bewertungen taugen nicht als Indikator, wann ein- oder auszusteigen wäre.
    Sonst wären die meisten wohl lange vor der Spitze in Japan aus dem Markt ausgestiegen. 
  • Vermeintliche Wahrheiten sind kein guter Begleiter bei Anlage-Entscheidungen.
    In den 1980er-Jahren galt es fast als unverrückbare Wahrheit, dass die wettbewerbsstarke japanische Industrie Europa und die USA weit hinter sich lassen würden. Nur wenige sagten etwas anderes vorher.
  • Verlassen Sie sich nicht nur auf einen Markt, insbesondere nicht den eigenen Heim-Markt.
    In Japan hätten Sie nicht nur viel Geld in Aktien verloren, sondern auch noch eine langsame wirtschaftliche Entwicklung mitmachen müssen.
  • Eine Anlageklasse reicht nicht aus.
    In den schlechten Jahren für Aktien von 1990-2015 hätten Sie in Japan mit Staatsanleihen immerhin 6,1% p.a. Rendite machen können. Wenn die Aktienmärkte nicht laufen, bleiben Anleihen ein möglicher Ersatz.
  • Diversifikation ist der beste Schutz gegen eine Blase.
    Weltweit war der Aktienmarkt seit 1990 ordentlich - auch wenn man Japan berücksichtigt.

Eine der wohl weniger zeitlosen Eigenschaften des Menschen ist sein Herdentrieb, der zu Ergebnissen führt, die sonst nicht auftreten. Le Bon hat schon 1895 zum Herdentrieb (die "psychologische Masse") geschrieben:

An einer psychologischen Masse ist das Sonderbarste dies: welcher Art auch die einzelnen sein mögen, die sie bilden, wie ähnlich oder unähnlich ihre Lebensweise, Beschäftigungen, ihr Charakter oder ihre Intelligenz ist, durch den bloßen Umstand ihrer Umformung zu Masse besitzen sie eine Art Kollektivseele, vermöge deren sie in ganz anderer Weise fühlen, denken und handeln, als jedes von ihnen für sich fühlen, denken und handeln würde. Es gibt gewisse Ideen und Gefühle, die nur bei den zu Massen verbundenen Individuen auftreten oder sich in Handlungen umsetzen.

Gustave Le Bon "Psychologie der Massen" 1895

Quellen:

Ben Carlson: The Greatest Bubble of All-Time?
Edward Chancellor: Devil Take the Hindmost


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